Der Wehratalkurier (Ausgabe 49/2024) enthält wichtige Informationen über die ersten digitalen Dienste, die von der Stadtverwaltung bereitgestellt werden. Unter anderem kann nun eine „Elektronische Wohnsitzanmeldung“ durchgeführt werden.
Auch wenn digitale Dienste eine zentrale Rolle in der Einsparung von Bürokratie spielen, so schafft die Stadt Wehr im ersten Schwung mehr Hürden als Motivation.
Das beginnt bereits mit dem Abdruck von QR-Codes im Amtsblatt, ohne die Nennung der URLs, die zu den Angeboten führen.
Vorsicht: Betrug möglich!
Betrüger haben nun leichtes Spiel gefälschte QR-Codes in Umlauf zu bringen und damit massiv personenbezogene Daten abzugreifen.
Die im Amtsblatt abgedrucken QR-Codes verweisen auf die Internetseiten „www.wohnsitzanmeldung.de“ und „www.wehr.de“ – Achten Sie darauf, dass Ihr Smartphone nur diese Seiten verwendet.
Fortschritt mit Medienbrüchen
Über das Portal „Gemeinsam Online“ können Bürgerinnen und Bürger ihren neuen Wohnsitz bequem von zu Hause aus anmelden – kostenfrei, ohne Behördengang und mit einer digitalen Meldebestätigung.
Was auf den ersten Blick wie ein Paradebeispiel für digitale Transformation wirkt, zeigt bei genauerem Hinsehen jedoch Schwachstellen, insbesondere bei der Benutzerfreundlichkeit und den Übergängen zwischen digitalen und analogen Anforderungen.
Ein digitaler Prozess mit viel Potenzial
Die Wohnsitzanmeldung ist ein wichtiger Verwaltungsakt, der in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben ist. Wehr ermöglicht diesen Vorgang komplett online und strukturiert den Prozess in vier klaren Schritten: Eingabe der Daten, Prüfung durch die Meldebehörde, Abruf der Meldebestätigung und Aktualisierung der Ausweisdaten.
Positiv ist außerdem, dass der Service vollständig kostenfrei ist.
Die Eingabe der Daten dauert in der Regel nicht länger als zehn Minuten, und auch der Abruf der Meldebestätigung sowie die Aktualisierung der Ausweisdaten sind in wenigen Minuten erledigt.
Medienbrüche und technische Hürden
Trotz der Vorteile bleiben Schwächen, die den digitalen Prozess ausbremsen und für viele Bürger zu einer Herausforderung werden können. Ein zentrales Problem sind die Medienbrüche, die den digitalen Ablauf unterbrechen:
- Technische Voraussetzungen: Um den Dienst nutzen zu können, benötigen Bürgerinnen und Bürger einen gültigen Personalausweis oder eine eID-Karte mit aktivierter Online-Ausweisfunktion sowie die passende AusweisApp. Zudem wird ein NFC-fähiges Smartphone oder ein USB-Kartenlesegerät benötigt. Diese technischen Anforderungen sind nicht nur hoch, sondern setzen auch voraus, dass die Bürger mit der Technologie vertraut sind und wissen, wie sie diese einsetzen.
- Mangelnde Barrierefreiheit: Die Nutzung des Dienstes erfordert digitale Kompetenz, die nicht bei allen Bevölkerungsgruppen gleichermaßen vorhanden ist. Besonders ältere Menschen oder weniger technikaffine Bürger könnten an den komplexen Anforderungen scheitern. Für iPhone-Nutzer kommen zusätzlich mögliche Kompatibilitätsprobleme hinzu, die nur durch Updates gelöst werden können.
- Wohnungsgeberbestätigung: Trotz der digitalen Struktur des Prozesses müssen Bürger die Wohnungsgeberbestätigung vom Vermieter einholen und hochladen. Dieser analoge Schritt stellt einen deutlichen Medienbruch dar und könnte vollständig digitalisiert werden.
Wie könnte der Prozess besser gestaltet werden?
Um die Wohnsitzanmeldung in Wehr wirklich benutzerfreundlich und barrierefrei zu gestalten, wären einige Verbesserungen notwendig:
Integration von Vermietern:
Ein digitales System, in dem Vermieter Wohnungsgeberbestätigungen direkt ausstellen und übermitteln können, würde den Medienbruch zwischen analoger und digitaler Welt beseitigen.
Technische Unterstützung:
Für Bürger, die nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügen, könnten Hybridlösungen eine sinnvolle Unterstützung bieten. Vermutlich bietet das Rathaus entsprechende Unterstützung an, genannt werden diese jedoch nicht.
Digitale Versandoptionen:
Anstelle der Adressaufkleber per Post könnten digitale Lösungen zur Adressänderung entwickelt werden, die den gesamten Prozess vereinfachen und beschleunigen.
Benutzerfreundlichere Technologien:
Die Anforderungen an die technische Ausstattung, insbesondere die Nutzung der Online-Ausweisfunktion, sollten überarbeitet werden. Vereinfachte Apps und Schnittstellen könnten den Einstieg erleichtern.
Fazit: Fortschritt mit Nachbesserungsbedarf
Die digitale Wohnsitzanmeldung in Wehr zeigt, dass moderne Verwaltung Prozesse erheblich vereinfachen kann. Doch um den Anspruch einer vollständig digitalen Bürgernähe zu erfüllen, müssen die Medienbrüche reduziert und die Benutzerfreundlichkeit weiter verbessert werden.
Der aktuelle Ansatz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten zurück.